In einem Exklusivinterview mit EINBLICK sagt INSTEX-Chef Michael Bock, dass die europäische Zweckgesellschaft auf gutem Wege ist.
Michael Bock ist der neue Präsident von INSTEX (Instrument in Support of Trade Exchanges), dem Sondermechanismus des europäischen Handels mit Iran, der zum wichtigsten Thema der iranischen politischen Literatur geworden ist. In einem Exklusiv-Interview mit EINBLICK beschreibt Michael Bock INSTEX als ein rein wirtschaftliches und nicht politisches Unternehmen. Dennoch betont er, dass das Ausmaß der INSTEX-Aktivitäten durch Entscheidungen der Politik bestimmt wird. Während die Beschränkung von INSTEX auf humanitäre Güter auf iranischer Seite Klagen hervorgerufen hat, könnten laut Bock auch Konsumgüter und Tourismus von INSTEX aufgenommen werden. Auch ist er überzeugt, dass INSTEX neben den traditionellen Exporten des Landes nach Europa auch Kapazitäten für den Export weitere iranischer Produkte geschaffen hat.
Für wie praxisbezogen halten Sie INSTEX? Die iranischen Offiziellen bemängeln, dass die Zweckgesellschaft nur auf einem niedrigen Niveau arbeitet. Glauben Sie, dass INSTEX sie zufriedenstellen kann?
Selbstverständlich ist das Niveau bislang noch zu niedrig. Die Gründung des Unternehmens INSTEX von drei Staaten als Anteilseignern und in diesem komplexen Umfeld hat seine Zeit gebraucht. Auch in Iran mussten entsprechende Strukturen erst aufgebaut werden, was einige Zeit in Anspruch genommen hat. Es kommt aber auf die Ziele an – und ich appelliere an alle Seiten, Vertrauen in uns zu setzen. Denn wir sind auf einem gutem Weg.
Was sind die Haupthindernisse für INSTEX?
Wir bewegen uns sowohl in Iran als auch in Europa in einem hoch regulierten Raum. Es stellen sich vielfältige Fragen von Lizenzen und Erlaubnissen. Es gilt, sich sinnvoll in das bestehende komplexe Handels- und Finanzierungssystem einzubringen und dieses zu erleichtern, um u.a. die Transaktionskosten zu senken. All das geht nicht über Nacht. Als neue Akteure auf diesem Feld müssen wir vor allem auch das Vertrauen von noch mehr Banken gewinnen, die Geschäfte von INSTEX zu begleiten.
Wie ist die Kooperation von iranischer Seite? Welche Aufgaben hat IRAN zu erfüllen?
Iran hat als Spiegelbildorganisation zu uns STFI gegründet. STFI arbeitet eng mit INSTEX zusammen. Ich bin seit Anfang September in meiner Funktion als Präsident von INSTEX bereits dreimal mit Herrn Nouri, dem CEO von STFI zusammengetroffen. Wir haben in dieser Zeit gemeinsam schon eine Menge bewegt.
Iran nimmt seine Zugeständnisse aus dem JCPoA schrittweise zurück, und viele glauben, dass das Atomabkommen kurz vor dem Aus steht. Iran lässt von offizieller Seite verlautbaren, dass die Zugeständnisse wieder komplett eingehalten werden, sobald sich die Handelsbeziehungen mit Europa normalisieren. Glauben Sie, dass INSTEX das Abkommen retten kann?
Ich bin froh, dass ich mit INSTEX einem Unternehmen vorstehe, dessen Geschäftszweck auf wirtschaftlichem Gebiet liegt. Die damit verbundenen Herausforderungen sind beachtlich genug. Allen Beteiligten ist bewusst, dass INSTEX in einem komplexen politischen Umfeld agiert und auch von diesem abhängt. Wie sehr die Arbeit von INSTEX für weitere politische Entwicklungen relevant sein kann, das muss und wird von den politischen Akteuren bewertet werden, nicht von INSTEX.
Eine der Hauptfragen bei INSTEX ist, ob iranische und europäische Privatunternehmen von INSTEX ausreichend profitieren können, wenn INSTEX sich nur auf humanitäre Hilfsgüter beschränkt?
INSTEX hat bereits heute Geschäftsanfragen in dreistelliger Millionenhöhe im humanitären Bereich. Jetzt geht es vorrangig darum, die Bedürfnisse der iranischen Gesellschaft nach dringend benötigten medizinischen Gütern oder auch nach Lebensmitteln und Saatgut zur Sicherstellung der Ernährung zu befriedigen. INSTEX und STFI sind sich da einig. Besorgnisse, dass der Geschäftszweck zu eng sei, möchte ich gerne zerstreuen, denn auch der Konsumgüterbereich und auch die Tourismusförderung ist mit INSTEX grundsätzlich möglich. Für heute gilt aber: first things first.
Laut Deutschlands Ständigem Gesandten in Teheran werden mehrere weitere europäische Staaten INSTEX beitreten. Wie wird ihre Teilnahme aussehen? Bedeutet dies, dass die Unternehmen dieser Staaten dazu bereit sind, mit Iran Handel zu treiben?
Sechs Staaten haben öffentlich ihren Willen erklärt, INSTEX beizutreten. Das freut mich sehr. Die Umsetzung dieser politischen Erklärung in die juristische Teilhabe als Aktionäre von INSTEX ist im Gange. Die Rechte von Aktionären sind im Einzelnen in den Grunddokumenten von INSTEX geregelt. All das unterscheidet sich nicht sonderlich von Regelungen bei anderen Kapitalgesellschaften. Grundsätzlich steht der Mechanismus allen Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten zur Nutzung offen – unabhängig davon, ob diese Staaten selbst Gesellschafter von INSTEX sind.
Gibt es eine europäische Bank, die daran interessiert ist, mit INSTEX zusammenzuarbeiten? Falls ja: Ist sie vor den US-Strafmaßnahmen geschützt? Und falls nicht: Wie kann INSTEX zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs beitragen?
Es gibt Banken, die mit INSTEX zusammenarbeiten. Mit Blick auf die extraterritorialen Auswirkungen der Sanktionen von Drittstaaten agieren viele Banken entsprechend vorsichtig, es ist aber möglich. Ich hoffe sehr, dass es INSTEX auf mittlere Sicht gelingt dazu beizutragen, Unsicherheiten aus dem Markt zu nehmen.
Inwieweit ist FATF für Iran notwendig, um, von INSTEX zu profitieren?
Hier sind wir wieder beim politischen Umfeld. Bestimmte Entwicklungen sind Rückenwind für INSTEX und die Unternehmen, andere bedeuten Gegenwind.
Was sollten die iranische Regierung und der Privatsektor Ihrer Meinung nach ansonsten noch tun, um die Wirtschaftsbeziehungen mit der EU zu entspannen?
Es ist nicht meine Aufgabe, der iranischen Regierung Ratschläge zu erteilen. Bei der iranischen Wirtschaft, die sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat, sehe ich vielfältige Exportmöglichkeiten über die klassische Exportproduktpalette hinaus. Das zwischen STFI und INSTEX ausgearbeitete Geschäftsmodell zielt darauf ab, genau solche Exportmöglichkeiten in unser Geschäftsmodell einzubeziehen.